Verantwortung durch Reflexion
Workshop Nanjing 2008 – Plakate gegen Krieg, Gewalt, Rassismus, Intoleranz und Vergessen
Prof. Heinz-Jürgen KristahnJedes Land, jede Nation und jedes Volk hat seine individuellen historischen Traumata zu verarbeiten. Seit jeher half die Kunst dabei, den abstrakten Begriffen Verantwortung, Schmerz, Schuld und Erinnerung einen im besten Sinne nachvollziehbaren Rahmen zu verleihen.
Insbesondere das Medium Plakat ist spätestens seit dem 20. Jahrhundert besonders dazu geeignet, historische Erfahrungen und deren Kanonisierung durch Geschichtsschreibung, Medien und Politik auf das Wesentliche zu reduzieren. Zum kollektiven Gedächtnis des heutigen China gehört zweifellos das Massaker in Nanjing im Dezember 1937, bei dem mehr als 300.000 chinesische Zivilisten auf grausame Weise ermordet wurden. Im selben Jahr wurde in München die Propagandaausstellung »Entartete Kunst« eröffnet, auf der Werke von verfemten Künstlern gezeigt wurden.
Zeitgleich begann die Errichtung des Konzentrationslagers in Buchenwald. Damit wurde zugleich eine Neuorganisation der Lager in Deutschland in Angriff genommen – und die industrielle Vernichtung von Millionen vorbereitet.
Das geplante Projekt wird bewusst als bilaterale künstlerische Auseinandersetzung mit offenem Ausgang angelegt. Es soll die Auseinandersetzung mit Geschichte und Erinnerung evozieren – und dabei die Aufgabe von Kunst in diesem Bereich näher beleuchten. Es geht um eine Begegnung zwischen Deutschland und China – eine Begegnung der jungen Generation. Bei dieser spielt (spielen) die Geschichte(n) der eigenen Familie, der eigenen Universität und der eigenen Stadt eine bestimmende Rolle.
Welche Formsprachen, welche Bilder und welche Botschaften finden heute junge Deutsche und Chinesen für die schwärzesten Stunden ihrer Geschichte? Spannend
dabei ist die Konfrontation von Opfer- und Täter-Nachkommen im künstlerischen Kontext. Ziel dieser thematischen Auseinandersetzung ist der Entwurf von Plakaten. Hier soll die künstlerische Reflexion an den Begriffen Verantwortung, Antwort, Wort, Ort und schließlich Ortung entlangführen.
Immer wieder wird die Frage gestellt, welche objektiv nachvollziehbare Wirkung sich
mit Bildender Kunst überhaupt erzielen ließe?
Sicher ist, dass die Bildende Kunst im 20. Jahrhundert eine zunehmend stärker werdende Vermittlungsfunktion übernommen hat, unterstützt vor allem durch die elektronischen Medien. Da Wissen immer umfangreicher und gesellschaftliche Strukturen immer komplexer und unüberschaubarer werden, gilt es, Verständigung nicht nur zwischen den unterschiedlichen Gruppen, Organisationen, Institutionen und sozialen Schichten zu fördern, sondern auch zwischen den Kulturen einer globalen Gesellschaft. Bildende Kunst hat die Aufgabe, Inhalte zu erfassen und diese unter Anwendung künstlerisch- wissenschaftlicher Erkenntnisse mit künstlerisch ästhetischen und technischen Mitteln zum Ausdruck zu bringen. Um einen sinnfälligen und bildnerischen Einsatz der Mittel zu erreichen, müssen die Inhalte ihrer Zielsetzung und Wirkungsabsicht entsprechend geplant und in ihrer künstlerischen Realisation und Vermittlung aufeinander abgestimmt werden.